aus: The underachieving
school, S.
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… wenn ich eine allgemeingültige Regel für das Leben und Arbeiten mit Kindern aufstellen müsste, könnte sie so lauten: seien auf der Hut, zu einem Kind nie etwas zu sagen oder mit ihm nie etwas zu machen, das sie nicht auch zu einem Erwachsenen sagen würden oder mit einem Erwachsenen tun würden, dessen Meinung und Zuneigung Sie schätzen.
aus: Freedom and beyond, S.
51
Viele Leute, die Kinder mögen und genießen, scheinen dennoch nach wie vor in der Gewalt der alten Vorstellung festzustecken, dass wir einen wichtigen Teil von ihnen zerstören müssen, indem wir sie zivilisieren. Mir erscheint diese Vorstellung ein Irrtum und ein schädlicher noch dazu.
aus: Teach your own, 1981,
S. 147
In letzter Zeit habe ich viel Zeit mit nur wenige Monate alten Babys verbracht, und mein überwältigender Eindruck ist, dass sie sich grundsätzlich einfügen möchten, sie wollen teilhaben und alles richtig machen - das bedeutet, alles so machen, wie wir es tun. Wenn sie das nicht immer können, dann liegt das an ihrer mangelnden Erfahrung und daran, dass sie von ihren Gefühlen mitgerissen werden.
aus: Teach your own, 1981,
S. 148
Vor einigen Jahren reiste eine Gruppe amerikanischer Experten nach China, um chinesische Kinder, chinesische Erziehung und die dortigen Schulen zu untersuchen. Sie fragten die sie empfangenden chinesischen Experten eifrig, was sie denn täten, wenn ihre Kinder Wutanfälle hätten, sich stritten, sich gegenseitig ärgerten, nörgelten, Sachen kaputtmachten, Leuten wehtaten, etc. Die Chinesen starrten sie mit ungläubigen Gesichtern an. Die Amerikaner hätten genauso gut fragen können: "Was tun Sie, wenn Ihre Kinder 90 Meter in die Höhe springen?" Die Chinesen konnten nur immer und immer wieder bestätigen: "Kinder tun so etwas nicht." Die amerikanischen Besucher gingen ebenso ungläubig fort. Es kam ihnen nicht in den Sinn zu vermuten, dass der Grund, warum chinesische Kinder nicht schlecht in dem Sinne sind, in dem so viele unserer Kinder schlecht zu sein scheinen, der ist, dass niemand dies von ihnen erwartet. Da sie klein, unwissend, unerfahren und leidenschaftlich sind, kommen sie ab und an vom Pfad der guten Betragens ab. Aber sie werden korrigiert, indem sie geduldig darauf hingewiesen werden, dass sie vom Pfad abgekommen sind, dass wir so etwas nicht tun. Niemand geht davon aus, dass es ihre volle Absicht war, etwas Falsches zu tun, und dass nur ein langer harter Kampf ihnen diese Absichten austreiben kann und sie zwingen wird, das Richtige zu tun.
aus: Teach your own, 1981,
S. 150
Was Kinder von uns fordern und brauchen ist wohlüberlegte Aufmerksamkeit. Sie wollen, dass wir sie wahrnehmen und beachten, was sie tun, dass wir sie ernst nehmen, dass wir ihnen vertrauen und sie als Mensch respektieren. Sie wollen Zuvorkommendheit und Höflichkeit, aber sie brauchen nicht viel Lob.
aus: Learning all the time,
S. 140/141
Die Worte 'erwarten' und 'Erwartung' werden im Großen und Ganzen missverstanden und von den meisten Leuten, die über Kinder schreiben, schlecht benutzt. Die meisten Leute benutzen sie als Synonyme für 'Forderung' oder 'verlangen' oder 'zwingen'. Wenn sie sagen, dass wir höhere Erwartungen an die Kinder stellen sollten, dann meinen sie, dass wir verlangen sollten, dass sie bestimmte Dinge tun und eine Bestrafung androhen sollten, wenn sie es nicht tun. Wenn ich davon spreche, von Kindern viel zu erwarten, dann meine ich nur, dass wir in unseren Köpfen keine Höchstgrenze setzen sollten, die festlegt, wozu ein Kind fähig sein kann. Ich meine nicht, dass wir annehmen sollten, dass sie bestimmte Dinge tun könnten und daher sollten, und dass wir besorgt sein sollten, wenn sie diese Dinge nicht tun – jeder hat seinen eigenen Weg und seinen eigenen Zeitplan ins Leben.
aus: Escape from childhood,
1974, S. 96/97
Außer in den seltenen Momenten, in denen wir unter großem Stress stehen oder in denen Gefahr droht, gibt es keinen Grund, warum wir Kindern ein "Nein" nicht genauso freundlich sagen können wie ein "Ja". Beides sind Wörter. Beide übermitteln Vorstellungen, die selbst kleine Kinder begreifen. Das eine besagt: "Das tun wir nicht.", das andere besagt: "So machen wir das." Meistens ist es das, was Kinder herausfinden wollen. Außer wenn Müdigkeit, Neugierde, Aufregung oder Leidenschaft sie übermannt, wollen sie das Richtige tun, uns nacheifern, sich einpassen, teilhaben.
aus: Teach your own, 1981,
S. 155
Erwachsene sagen: "Wenn man Kindern die Wahl lässt, werden sie schlechte Entscheidungen treffen." Selbstverständlich werden sie einige furchtbare Entscheidungen treffen. Aber wie kann jemand lernen, gute Entscheidungen zu treffen, außer indem er welche trifft und mit den Konsequenzen lebt? Und was noch wichtiger ist: wie kann jemand lernen, schlechte Entscheidungen zu erkennen und sie zu ändern, um den Fehler zu korrigieren, wenn er nie die Möglichkeit hatte, jemals Fehler zu machen, oder wenn alle seine Fehler für ihn korrigiert werden? Und am wichtigsten von allem: wie wird ein Kind, dem nie die Möglichkeit gegeben wird, wirkliche Entscheidungen zu treffen, über sich selbst als Person denken, die fähig ist, Entscheidungen zu treffen? Wenn er zu der Überzeugung gelangt, dass man ihm nicht zutrauen kann, sein eigenes Leben zu bewerkstelligen, an wen soll er sich wenden, um dies für ihn zu handhaben?
aus: The underachieving
school, 1972, S. 34
Was bewirkt … die Angst der Erwachsenen in Kindern, was sagt sie ihnen über sich selbst und über die Welt um sie herum und ihre Fähigkeit, mit ihr fertig zu werden? Sie sagt ihnen ganz klar: 1. die Welt ist ein furchtbar gefährlicher, tückischer und unberechenbarer Ort; 2. du bist völlig unfähig, mit dieser Welt fertig zu werden und bist auf meine Hilfe angewiesen, damit ich dich vor allen möglichen Schwierigkeiten bewahren kann. ... Wie können wir jahrelang die Neugierde der Kinder dämpfen und sie ihnen absprechen, sie lehren, ihrer Neugierde zu misstrauen und sie zu fürchten als etwas, das sie nur in Schwierigkeiten bringen wird, und dann später erwarten, dass die Kinder eifrige und erfahrene Lernen sein werden?
aus: Escape
from childhood, 1974, S. 89/90
Wenn Erwachsene wollen, dass Kinder etwas tun - die Jacke aufhängen, einen Mittagsschlaf halten, etc. - sagen sie oft: "Lass uns die Jacke anziehen, ok?" oder "Es ist Zeit für unseren Mittagsschlaf, ok?" Dieses "ok?" ist eine schlechte Angewohnheit. Unser Zusammenleben mit Kindern würde reibungsloser verlaufen, wenn wir uns diese Ausdrucksweise abgewöhnen könnten. Das Problem mit "ok?" ist, dass es den Kindern suggeriert, wir würden ihnen die Wahl lassen, obwohl wir das eigentlich gar nicht beabsichtigen. Was auch immer man darüber denkt, wie viel Wahlmöglichkeiten wir Kindern bieten sollten, sollten Kinder doch auf alle Fälle jederzeit wissen, ob sie die Wahl haben oder nicht. Wenn es zu oft erscheint, als hätten Kinder eine Wahlmöglichkeit, wenn dem gar nicht so ist, werden Kinder bald das Gefühl haben, dass sie nie die Wahl haben. Das werden sie uns verübeln, und sie werden es uns noch übler nehmen, dass wir nicht eindeutig sagen, was wir meinen. Wenn wir äußern, was als Befehl gedacht ist, und dann "ok?" sagen, beschwören wir Widerstand und Rebellion herauf. In der Tat ist der einzige Weg für Kinder, herauszufinden, ob wir ihnen eine echte Wahlmöglichkeit bieten, der, dass sie sich weigern zu tun, worum wir sie bitten. Dies ist ihre Art zu sagen: "Meinst Du es wirklich ernst?" Viele Erwachsene sind der Meinung, dass es einfach höflicher ist, wenn sie "ok?" sagen. Aber das ist ein falsches Verständnis von Höflichkeit. Es ist durchaus möglich, standhaft und gleichzeitig höflich zu sein, wenn man jemandem deutlich macht, dass man keine Wahlmöglichkeit anbietet, sondern mitteilt, was passieren soll oder wird.
aus: Teach your own, 1981,
S. 159/160
Autoren, die über Wutanfälle schreiben, vermitteln selten das Gefühl, dass die Wut von Zweijährigen einen Grund hat. Man bekommt leicht den Eindruck, dass diese kleinen Kinder von Böen irrationaler Aggression und Zorn fortgetragen werden, so wie die Küste Floridas hin und wieder von Wirbelstürmen heimgesucht wird. Ich behaupte dagegen, dass ein großer Anteil der scheinbar irrationalen und übertriebenen Wut kleiner Kinder - "Wutanfälle" - in Wirklichkeit nicht nur durch das ausgelöst wird, was ihnen passieren, was zu ihnen gesagt wird oder was mit ihnen gemacht wird, sondern dass diese Dinge uns auch wütend machen würden, wenn sie uns passieren würden, zu uns gesagt würden oder mit uns gemacht würden. Selbst in den freundlichsten und liebevollsten Familien werden Zweijährige, mal durch Worte oder Taten ihrer Eltern, mal durch Geschehnisse oder durch die Natur selbst, täglich x-mal daran erinnert, dass sie klein, schwach, unwissend, unbeholfen, töricht, unzuverlässig, lästig, zerstörerisch, schmutzig, übelriechend oder gar abstoßend sind. Sie mögen das nicht! Ich würde das auch nicht mögen. Und Sie auch nicht.
aus: Teach your own, 1981,
S. 161
Erwachsene müssen sich über das Auf und Ab des Mutes und der Zuversicht von Kindern im Klaren sein – wie das Auf und Ab der Gezeiten. An einigen Tagen haben Kinder den Tiger im Tank. Sie stehen in den Startlöchern; sie sind voller Enthusiasmus und Zuversicht. Wenn man sie umhaut, stehen sie unmittelbar wieder auf. An anderen Tagen fügen Sie ihnen einen kleinen Kratzer zu und sie bluten sofort.
aus: Learning all the time,
S. 155/156
Ich vermute, dass Kinder sich meist nur dann verletzen, wenn sie Dinge tun, die sie nicht tun sollen, wenn Trotz oder Aufregung in den Luft liegen, nicht wenn sie etwas Vernünftiges und Natürliches tun, das sie oft tun und gerne richtig machen. Der Verantwortliche eines großen Abenteuerspielplatzes in London sagte mir einmal, dass sich die Kinder oft verletzten, als die Eltern noch mit auf den Spielplatz kommen durften, weil sie Dinge taten, um ihren Eltern zu imponieren, sie zu ängstigen oder sie zu provozieren. Ab dem Zeitpunkt, zu dem den Eltern mitgeteilt wurde, sie müssten außerhalb des Spielplatzes (an einem Ort mit Stühlen, Bänken, etc.) warten, blieben die Unfälle aus.
aus: Teach your own, 1981,
S. 164
How
children fail (1964; überarbeitete Ausgabe 1982)
deutsche Ausgabe u.d.T.: Chancen für unsere Schulversager
(1969) und Aus
schlauen Kindern werden Schüler (2004)
How
children learn (1967; überarbeitete Ausgabe 1983)
deutsche Ausgaben u.d.T.: Wie Kinder lernen (1971) und Wie
kleine Kinder schlau werden (2003)
The underachieving
school (1969;
überarbeitete Ausgabe 2005)
What do I do Monday?
(1970)
deutsche Ausgaben u.d.T.: Wozu überhaupt Schule? (1975)
und Kinder
lernen selbständig oder gar nicht(s) (1999)
Freedom and beyond (1972)
deutsche Ausgabe u.d.T.: Freiheit ist mehr : von den Grenzen
schulischer
Erziehung (1974)
Escape from childhood :
the needs and rights of children
(1974)
deutsche Ausgabe u.d.T.: Zum Teufel mit der Kindheit (1978)
Instead of education : ways to help
people do things better
(1976, 2004)
Never too late : my musical
life story (1978)
Teach your own
(1981; von Patrick Farenga überarbeitete Ausgabe 2003)
Learning all the time (1989)