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Frage: Mein Sohn ist schüchtern. Er antwortet nicht auf Fragen und schaut weg. Seine Schwester ist das genaue Gegenteil; letzte Woche hat sie zu einem Erwachsenen im Park gesagt: "Stehen Sie auf, das ist mein Platz, ich bin nur für einen Moment weggegangen." Der Mann nannte sie "unverschämt" und weigerte sich aufzustehen. Ich bin immer voll auf die Bedürfnisse meiner Kinder eingegangen. Warum ist mein Sohn so unsicher und meine selbstsichere Tochter so energisch?
Antwort: Das
Konzept des
Selbstvertrauens wird oft missverstanden. Es wird verwechselt mit
Eigenschaften
wie kontaktfreudig, laut, eingebildet, arrogant oder dominant zu sein.
Diese
Eigenschaften gehen jedoch nicht notwendigerweise mit einem hohen
Selbstvertrauen einher und sind häufig eine Fassade, hinter der
sich
Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle verbergen. Hinzu kommt,
dass die
Reaktion vieler Erwachsenen auf die Selbstsicherheit von Kindern die
Situation
noch verworrener machen; sie untergraben die selbstsichere Entscheidung
des
Kindes für Zurückgezogenheit mit "sei nicht schüchtern"
und manchmal
missbilligen Sie das bestimmte und offene Verhalten eines Kindes.
Das
Selbstvertrauen Ihres
Sohnes ist vielleicht so groß, dass er kein Interesse daran hat,
andere zu
beeindrucken oder ihre Erwartungen zu erfüllen. Respektieren Sie
seine Wünsche
und sein Selbstvertrauen wird wachsen. Genauso können Sie Ihre
Freude haben an
der Leichtigkeit, mit der sich Ihre Tochter behauptet; sie hat einen
klaren
Gerechtigkeitssinn und ihr ist bewusst, dass sie den Respekt anderer
verdient.
Nach mehreren Jahren Erfahrung und Auseinandersetzung mit anderen wird
sie
lernen, wann sie nachgeben und die Entscheidung eines anderen
akzeptieren
sollte.
Beispielsweise
erzählte mir eine Mutter von ihrer
Tochter Iris (alle Namen und Umstände in den Beispielen wurden
verändert), die
immer schrie: "Erst ich." In ihrem Bodenakrobatik-Kurs versuchte sie
immer als erste in der Reihe zu stehen. Sie schien sehr glücklich
zu sein, wenn
sie als erste drankam, war aber schnell gekränkt, wenn es ihr
nicht gelang. Als
sie eines Tages vom Bodenakrobatik-Kurs kam, schein Iris sehr gereizt
zu sein.
Auf die Frage ihrer Mutter, wie der Kurs gewesen war, antwortete Iris:
"Es
hat mir heute nicht gefallen. Nancy hat mich nie erste sein lassen. Ich
hasse
sie." Später saß die Mutter mit Andrea, Iris’ jüngerer
Schwester, am
Klavier. Iris ging vorbei und sagte im Vorübergehen: "Hach,
kleines Genie
Andrea, unsere Königin."
Was
in dieser Situation nach
Selbstsicherheit und Überschwänglichkeit aussieht, ist aller
Wahrscheinlichkeit
nach Iris’ Verzweiflung und Unsicherheit. Sie sieht sich selbst zu
Hause als
minderwertig, und in ihrem großen Schmerz versucht sie ihre
Selbstzweifel zu
verleugnen indem sie sich an anderer Stelle Anerkennung verschafft.
Natürlich
gibt es auch Kinder, die ihr geringes Selbstvertrauen dadurch
ausdrücken, dass
sie übermäßig ängstlich sind. Wenn ein Kind seine
Unsicherheit jedoch unter dem
Deckmantel des Angebens versteckt, erkennen wir sie eventuell nicht.
Anstatt
nach den üblichen Anzeichen von Selbstvertrauen bei Ihrem Kind
Ausschau zu
halten, sollten Sie sich also fragen, ob es sich selber treu ist und ob
es sich
wie jemand verhält, der zufrieden mit sich selbst ist und dem
beste Behandlung,
Respekt und Liebe gebührt; beobachten Sie, ob es mit Begeisterung
es selbst ist
und ob es sich frei fühlt, mal gesellig zu sein und mal ruhigere
Momente zu
haben.
Manche
mögen geschockt
sein zu hören, wie dieser Junge mit seinem Vater spricht. Doch
Rios Worte drückten aus,
dass er sich des Respekts und besten Umgangs würdig fühlt.
Der Gedanke hinter
seinen Worten war vermutlich etwa: "Wie kannst du mich so behandeln?
Ich
verdiene Respekt und Freundlichkeit, genau wie Du." Kinder, die sich
sicher genug fühlen, zu Hause alles auszusprechen, entwickeln ein
unfehlbares
Gefühl für ihren eigenen Wert.
Das
Paradoxe ist, dass wir uns
häufig über ein unsicheres Kind keine Gedanken machen,
während wir besorgt
sind, dass mit dem selbstsicheren Kind etwas nicht stimmt. Wir wollen,
dass ein
Kind bestimmt und sicher auftritt, aber wenn es dies tut, reagieren wir
verärgert und wollen seinen Elan dämpfen. Ebenso
stößt ein Kind, das sein Recht
auf Zurückgezogenheit verteidigt, oft auf Erwachsene, die seine
Selbstsicherheit nicht anerkennen und verlangen, dass es auf ihre
bohrenden
Fragen antworten.
Beschützen
Sie die
Authentizität und Würde Ihres Kindes und begrüßen
Sie es, wenn Ihr Sohn für
sein Bedürfnis nach Abgeschiedenheit eintritt und Ihre Tochter
für ihren
Gerechtigkeitssinn.
Ursprünglich veröffentlicht in "Life Learning : the International Magazine of Self-Directed Learning", Mai/Juni 2004, ISSN 1499-7533, S. 23-24.
Aus dem Amerikanischen übertragen von S. Mohsennia.
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